„Gott ist da – in jeder Zeit und zu jeder Zeit“
Die Evangelische Kirchengemeinde Gleidorf nimmt Abschied von ihrer Auferstehungskirche
Gleidorf. Auf dem Altartisch: das Kreuz, die aufgeschlagene Bibel, Taufschale, Kelch und zwei Kerzen, die brennen. Gottesdienstzeit in der Auferstehungskirche von Gleidorf. Die Glocken läuten, von der Empore erklingt Orgelmusik, die Pastorin spricht die wohlbekannten Eingangsworte. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes hat sich hier eine Gemeinde versammelt, die am dritten Passionssonntag Abschied nehmen muss. Das Gotteshaus am südwestlichen Rand des Schmallenberger Stadtteils wird von der Evangelischen Kirchengemeinde aufgegeben. Gleiches gilt für das benachbarte Pfarrhaus und den Friedhof am Hang. Und so schimmern Tränen in den Augen der Menschen in dem vertrauten Gebäude, das mehr Kapelle als Kirche ist, ein Raum, mit Erinnerungen gefüllt, ein Platz zum Lachen, Weinen, Loben, Danken.
„Es ist ein schwerer Tag für viele von uns“, sagt Pfarrerin Ursel Groß. Es ist an ihr, ungeachtet der eigenen Wehmut, von Zuversicht zu sprechen, von Hoffnung. Weil alles seine Zeit hat. In ihrer Predigt knüpft sie an die klugen Worte des biblischen Predigers an, der darauf vertraut, dass Jegliches zu seiner Zeit gut und richtig ist. Dennoch gibt es Schmerz. „Es tut weh, diese Kirche mit ihrer über 150-jährigen Geschichte loszulassen“, so die Pastorin. Aber es sei gut zu wissen, dass die Zeit der Gemeinde begrenzte Zeit-Strecken überdauert. Sie spricht vom in Gleidorf gebündelten „Hoffnungsproviant“ als einem Schatz, aus dem sich neue Perspektiven entwickeln lassen könnten. Mit Gott an der Seite, ganz unabhängig vom Ort des Begegnens und Feierns. Ursel Groß: „Gott ist da – in jeder Zeit und zu jeder Zeit.“ Eine Zusage, die sich auch in Liedern, Psalm-Lesung und Gebeten spiegelte, die von einem gegenwärtigen Gott, von der befreienden Kraft des Herrn, von neuen Wegen kündeten. Wider die Enttäuschung, wider Ohnmacht und Verzagen.
Sachzwänge finanzieller und organisatorischer Art waren es, die zur Aufgabe der Auferstehungskirche führten. Erhalten bleibt die Christuskirche auf dem Wilzenberg in Schmallenberg. Und es ist für die Gleidorfer Gläubigen ein Trost, dass ihr Kirchlein weder abgerissen noch in fragwürdiger Form genutzt werden wird, sondern ein Ort der Ruhe, der Begegnung, der Zuflucht bleiben darf. Auf diese „wunderbare Perspektive“ (Ursel Groß) bezog sich der Schmallenberger Bürgermeister Burkhard König in seinem Grußwort. Die Stadt wolle der gestiegenen Nachfrage nach einer schönen Umgebung für standesamtliche Trauungen nachkommen, die Tür offenhalten für Wanderer und Radler; sie plane, im einstigen Pfarrhaus eine Großtagespflege für Kinder unter drei Jahren einzurichten, und den Friedhof bis zum Ende der Nutzungsdauer zu bewahren und als Parkanlage anzu bieten. Einstimmig habe der Rat der Stadt im Dezember 2024 für diese Lösung votiert. König: „Ich freue mich, dass es hier weitergehen wird!“
Jochen Wahl, Synodalassessor im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein, knüpfte in seiner Rede an das an, was die Pfarrerin in ihrer Predigt bereits unterstrichen hatte. „Christus ist da“, so der Pfarrer und brachte mit diesen drei Worten auf den Punkt, was der Heidelberger Katechismus in der Frage 54 zur „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“ bezeugt: „Ich glaube, dass der Sohn Gottes aus dem ganzen Menschengeschlecht sich eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort in Einigkeit des wahren Glaubens von Anbeginn der Welt bis ans Ende versammelt, schützt und erhält (…).“
Das gute ökumenische Miteinander zeigte sich im Grußwort des Dechanten Georg Schröder. Der katholische Pfarrer konstatierte, dass die Institution der Kirche, evangelisch wie katholisch, künftig weniger in Gebäuden sichtbar sei als vielmehr im Miteinander von Mensch zu Mensch. Künftig sehe er zunehmende Entwidmungen auch im Bereich der Katholischen Kirche. Ein „sogenanntes Immobilienkonzept“ liege bereits vor. Da sei es wichtig, bei anstehenden Entscheidungen um den „Geist der Unterscheidung“ zu bitten.
Mit Christus im Herzen und auf dem Weg mit den sichtbaren Zeichen göttlicher Gegenwart ließen die evangelischen Christinnen und Christen am Ende des Gottesdienstes ihre Kirche zurück. Trugen das Altarkreuz hinaus, die Taufschale, die Bibel, den Abendmahlskelch. Und gingen noch einmal ins Pfarrhaus. Bei Kaffee und Kuchen durfte sich lösen, was an Spannung auf der Seele lag. Es geht weiter!
Claudia Irle-Utsch
